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Moral und Sanktion

Eine Kontroverse über die Autorität moralischer Normen, Normative Orders 5

Erschienen am 18.04.2013, 1. Auflage 2013
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593395975
Sprache: Deutsch
Umfang: 357 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21.4 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

In der moralphilosophischen Literatur existieren verschiedene Auffassungen darüber, worauf die Autorität moralischer Normen basiert. Einige Moralphilosophen führen das moralische Sollen auf die Vernunft, das Wohlwollen oder auch auf die Wahrnehmung moralischer Tatsachen zurück; andere dagegen meinen, dass das moralische Sollen auf äußeren Sanktionen wie sozialem Ausschluss oder inneren Sanktionen wie Schuldgefühlen beruht. Die sowohl in der Geschichte der Philosophie als auch in der gegenwärtigen Auseinandersetzung häufig vertretene Meinung, dass moralische Verpflichtung notwendig an Sanktionierung geknüpft ist, wird aus verschiedenen Perspektiven kritisch untersucht.

Autorenportrait

Eva Buddeberg, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Exzellenzcluster "Herausbildungen normativer Ordnungen". Achim Vesper, Dr. phil., ist Akademischer Rat im Institut für Philosophie der Universität Frankfurt am Main.

Leseprobe

Beruht Moral auf Sanktion? Eine Problemübersicht Eva Buddeberg und Achim Vesper Normen fordern, verbieten und erlauben Handlungsweisen und bringen Pflichten oder Rechte zum Ausdruck. Handeln Normadressaten einem Gebot, einem Verbot oder einer durch die Norm artikulierten Pflicht zuwider, so setzen sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit negativen Reaktionen aus. Normverstöße werden getadelt oder bestraft, rufen Empörung hervor oder lösen Schuldgefühl aus. Mit diesen Reaktionen auf Normverstöße wird der Normverletzer durch andere oder auch durch sich selbst sanktioniert. Die Furcht vor Sanktionen gibt einem Handelnden dabei einen Grund, sich einer Norm entsprechend zu verhalten. Gelegentlich wird sogar die Überzeugung geäußert, dass man nur aus dem Wunsch, negative Konsequenzen zu vermeiden, in Übereinstimmung mit einer Norm handeln kann. Dagegen scheint zu sprechen, dass Akteure auch deshalb einer Norm Folge zu leisten glauben, weil sie sich an sie gebunden sehen. Einige Autoren vertreten jedoch die Meinung, dass wir auch nur dadurch an eine Norm gebunden sind und uns für an eine Norm gebunden halten, dass wir bei Zuwiderhandeln sanktioniert werden. Diese Autoren sprechen sich für eine Sanktionstheorie von Normen oder anders formuliert für den Sanktionismus aus und behaupten, dass das Verständnis von Normen oder Pflichten auf Sanktionen zurückgeführt werden kann, wobei negative Sanktionen als zentral betrachtet werden. Einen relevanten Testfall für eine Sanktionstheorie der Normen bilden moralische Normen, weil es nicht offenkundig ist, worin moralische Sanktionen bestehen und wer sie verhängt oder vollzieht. Inhaltlich lassen sich moralische von anderen Normen zum Beispiel dadurch unterscheiden, dass sie keine rollenspezifischen Pflichten enthalten, sondern Pflichten, die jemand als Person oder als Mensch hat. Auch spezifisch mit Bezug auf moralische Normen wird die These vorgebracht, dass ein angemessenes Verständnis von Normen vom Begriff der Sanktion ausgehen sollte. Dem moraltheoretischen Sanktionismus zufolge basieren alle moralischen Normen auf Sanktionen. Besonders umstritten ist der moraltheoretische Sanktionismus, weil moralische Verpflichtung nach vielen historisch wie gegenwärtig prominenten Meinungen aus sanktionsunabhängigen Quellen entspringt, etwa aus vernünftiger Einsicht, Intuition oder der Wahrnehmung moralischer Tatsachen. Ist der Sanktionismus jedoch wahr, so müssen diese alternativen Theorien verworfen werden. Sanktionstheoretiker sehen sich dabei in der Rolle von Aufklärern, die in ihrer Analyse der Moral vom beobachtbaren Umgang mit moralischen Normen geleitet sind und nicht auf ihrer Meinung nach dunkle Annahmen etwa über durch die Vernunft vorgegebene moralische Ziele, die Fähigkeit moralischer Wahrnehmung oder die Existenz moralischer Tatsachen zurückgreifen müssen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Sanktionismus frei von Widersprüchen ist und unser gewöhnliches Moralverständnis angemessen wiedergibt. Die Autoren dieses Bandes diskutieren die Idee, dass moralische Normen auf Sanktionen beruhen, in teils kritischer, teils affirmativer Absicht. Sie vertreten unterschiedliche Meinungen dazu, worin moralische Sanktionen bestehen und welche Bedeutung ihnen für das Verständnis moralischer Normen zukommt. Einleitend geben wir eine thematische Übersicht und erörtern die Fragen, was Sanktionen im Allgemeinen sind, wodurch sich moralische Sanktionen gegenüber anderen Arten von Sanktionen auszeichnen, welche moralpsychologische Rolle Sanktionen besitzen und schließlich ob der Begriff der moralischen Verpflichtung durch den Begriff der Sanktion erklärt werden kann. 1. Sanktionen Sanktionen sind Mittel, mit denen auf das Handeln anderer eingewirkt wird. Sie bestehen in etwas Gutem oder einem Übel, das als Folge der Handlung eintritt. Dabei bilden nicht alle negativen oder positiven Handlungsfolgen Sanktionen - im Unterschied zu natürlichen Handlungsfolgen werden Sanktionen kü