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Franz von Assisi

Erschienen am 25.12.2006
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608942873
Sprache: Deutsch
Umfang: 261 S., farb. Taf.
Format (T/L/B): 2.8 x 21 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

'Halb Mönch, halb Weltkind, verschrieb er sich in den aufstrebenden Städten, auf den Straßen, in der Zurückgezogenheit der Einsiedelei und mitten in der Hochblüte der höfischen Kultur einem neuen Lebensstil der Armut, Erniedrigung und Predigt am Rand der offiziellen Kirche, ohne dabei in Häresie zu verfallen, und sein Aufbegehren hatte nichts mit Unglauben zu tun. Er trug entscheidend zum Aufschwung der neuen Bettelorden bei und verbreitete in einer christlichen Gesellschaft ein neues Evangelium, das die christliche Spiritualität um eine neue Verbundenheit mit allem Lebendigen bereicherte, weshalb er auch als Begründer eines neuen Naturgefühls im Mittelalter gilt, das sich in der Religion, in der Literatur und in der Malerei niederschlug. Aber auch der Mensch Franz von Assisi, so wie er in seinen Schriften, in den Berichten seiner Biographen und in Bildern wiederauflebt, hat mich in seinen Bann gezogen. In ihm vereinigen sich Schlichtheit mit hohem Ansehen, Demut mit Autorität und ein ganz unauffälliges Äußeres mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlung.' Jacques Le Goff

Autorenportrait

Jacques Le Goff, Jahrgang 1924, ehemaliger Präsident der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris, war einer der führenden Historiker Europas. Zahlreiche Werke, die größtenteils auch in deutscher Übersetzung Furore machten, weisen ihn als herausragenden Kenner des Mittelalters und als exzellenten Vertreter der Sozial- und Mentalitätsgeschichtsschreibung, der »Nouvelle Histoire«, aus. Le Goff starb am 1. April 2014. An der monumentalen Studie »Ludwig der Heilige« arbeitete Le Goff über 15 Jahre; es handelt sich zweifellos um die umfassendste und bedeutendste Biographie über den französischen König aus der Feder eines Historikers der Annales-Schule. Er erhielt zahlreiche Preise: 1987 den »Grand Prix National d'histoire du ministère de la Culture«, 1991 die »médaille d´or du CNRS«, 1994 den Hegelpreis der Stadt Stuttgart, 1996 den »grand prix Gobert de l´Académie française«, 1997 den »grand prix d´histoire de la Ville de Paris«.

Leseprobe

Vorwort Seit ich mich für das Mittelalter zu interessieren begann - das liegt schon fast ein halbes Jahrhundert zurück -, hat mich die Persönlichkeit des heiligen Franz von Assisi aus gleich zwei Gründen fasziniert: zunächst als historische Gestalt, die mitten in der entscheidenden Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert, aus der ein modernes und dynamisches Mittelalter hervorging, Religion, Kultur und Gesellschaft in Bewegung versetzte. Halb Mönch, halb Laie, verschrieb er sich in den aufstrebenden Städten, auf den Straßen, in der Zurückgezogenheit der Einsiedelei und mitten in der Hochblüte der höfischen Kultur einem neuen Lebensstil der Armut, Erniedrigung und Predigt am Rand der offiziellen Kirche, ohne dabei in Häresie zu verfallen, und sein Aufbegehren hatte nichts mit Unglauben zu tun. Er wirkte in Mittelitalien, wo es so unruhig wie nirgends sonst in der Christenheit herging, in der Gegend zwischen Rom und seiner abgeschiedenen Kartause von La Verna. Er trug entscheidend zum Aufschwung der neuen Bettelorden bei und verbreitete in einer christlichen Gesellschaft ein neues Evangelium, das die christliche Spiritualität um eine neue Verbundenheit mit allem Lebendigen bereicherte, weshalb er auch als Begründer eines neuen Naturgefühls im Mittelalter gilt, das sich in der Religion, in der Literatur und in der Malerei niederschlug. Franz von Assisi verkörperte eine neue, um Christus zentrierte Heiligkeit und identifizierte sich mit ihm so sehr, daß er als erster Mensch die Wundmale des Gekreuzigten empfing. Er gehörte zu den beeindruckendsten Persönlichkeiten seiner Zeit und ist es im gesamten Mittelalter, ja sogar bis heute geblieben. Aber auch der Mensch Franz von Assisi, so wie er in seinen Schriften, in den Berichten seiner Biographen und in Bildern wiederauflebt, hat mich in seinen Bann gezogen. In ihm vereinigen sich Schlichtheit mit hohem Ansehen, Demut mit Autorität und ein ganz unauffälliges Äußeres mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlung. Er zeigt sich mit einer liebenswerten Aufrichtigkeit, die es erlaubt, sich eine vertraute und zugleich distanzierte Annäherung vorzustellen. Bei dieser Versuchung, der ich wie jeder Historiker erlegen bin, das Leben eines Mannes (oder einer Frau) aus der Vergangenheit zu erzählen, also eine Biographie zu schreiben, die sich um größtmögliche historische Objektivität bemüht, entpuppte sich Franziskus sehr bald als eine Persönlichkeit, die mehr als jede andere in mir den Wunsch weckte, sie zu einer Gesamtgeschichte (und damit zu viel mehr als einer der traditionellen, Anekdoten gespickten und überflüssigen Biographien) zu erheben, weil sie historisch und menschlich gesehen ein Vorbild für die Vergangenheit und die Gegenwart ist. Was mich bisher davon abgehalten hat, dieses Leben zu beschreiben, war zum einen das Nachdenken über diesen Plan, das mich stark beanspruchte, sowie die üblichen Arbeiten eines Historikers, und zum andern lagen bereits vorzügliche Biographien vor allem italienischer und französischer Historiker über den heiligen Franziskus vor. [.]

Inhalt

Vorwort I Franz von Assisi – Erneuerung und Beharrungsvermögen der Grundherrschaft II Auf der Suche nach dem wahren Franz von Assisi Der historische Franziskus – eine Annäherung Franziskus in seinen Schriften Das Problem der Biographien über den heiligen Franziskus Das Leben der historischen Gestalt Franz von Assisi Bekehrung Von der ersten zur zweiten Ordensregel Franziskus und Innozenz III. Die heilige Klara Wunder und Wanderungen Das Vierte Laterankonzil Die Regula bullata Auf dem Weg zum Tod Die Werke und das Werk Franz von Assisi – eine Gestalt des Mittelalters oder der Moderne?. Der Sonnengesang III Gesellschaftliche Gruppen und Klassen und ihre Bezeichnungen bei Franz von Assisi und seinen Hagiographen im 13. Jahrhundert Beschreibung und Reichweite der Untersuchung Elemente aus dem Wortschatz einzelner Gruppen der Gesellschaft Versuch einer Interpretation IV Franziskanismus und kulturelle Vorstellungen im 13. Jahrhundert Vorstellungen in Verbindung mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit Vorstellungen über die Entwicklung der Wirtschaft Vorstellungen über die Struktur der gesamten oder bürgerlichen Gesellschaft Vorstellungen über die Struktur der religiösen Gesellschaft Grundvorstellungen über Bildung und Wissenschaft Vorstellungen über Verhaltensmuster und Empfindungen Ethischreligiöse Vorstellungen im eigentlichen Sinn Die traditionellen Vorstellungen von Heiligkeit Schluß Anmerkungen Zeittafel Bibliographie. Bildnachweis Register

Schlagzeile

'Eine beeindruckende Persönlichkeit seiner Zeit bis heute' Jacques Le Goff